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Die letzte Hebamme

„Wir verschwinden doch nicht! Es hat nie eine Zeit ohne Einhörner gegeben, wir leben für immer, wir sind so alt wie der Himmel, so alt wie der Mond!… Schmetterling, auf all Deinen Reisen, hast Du da noch andere wie mich gesehen?…“

„Sie verschwanden von allen Strassen, vor langer Zeit….“

Letztes Wochenende schaute ich zusammen mit dem Großen nach für mich langer Zeit nochmal „Das letzte Einhorn“. Ein wunderschöner Film, den ich als Kind sehr liebte und immer noch gerne anschaue.

Ich weiss nicht warum, aber ich musste beim Anschauen die ganze Zeit an die gerade verschwindenden Hebammen denken. Es macht mich traurig zu lesen, wie immer mehr Hebammen sich ein anders Tätigkeitsfeld suchen, da sie sich ihre Arbeit nicht mehr leisten können. Schwangere berichten mir, wie schwierig es ist, eine reine Nachsorgehebamme zu finden.

Ich kann es mir gar nicht vorstellen, dass es irgendwann keine Hebammen mehr geben wird. Für mich waren sie bei beiden Geburten die wichtigsten Personen. Ich wusste, ich habe eine Hebamme, die ist da, wenn es losgeht. Eine, die ich kenne und mag und der ich vertraue. Sie war die Person, die die Situationen richtig einschätzen und die richtigen Entscheidungen treffen konnte. Das konnte weder ich, noch mein Mann. Auch beim 2. Kind nicht. Wäre meine Hebamme nicht bei mir gewesen, wäre ich früher ins Krankenhaus gefahren. Ich hätte nicht gewusst, wann ich pressen muss/kann/darf.

Nach der ersten Geburt war ich so froh, dass ich -durch Hebammen gestärkt- ohne Angst in die zweite Geburt gehen konnte. Ohne Hebammenvorsorge und Gespräche mit weiteren Hebammen wäre ich davon ausgegangen, dass ich wieder das gleiche durchmachen müsste. Dass ich die Schmerzen nicht aushalten könne und hätte mich vermutlich direkt für eine PDA entschieden. Meine Hebamme hat sich in den Vorsorgegesprächen alle Sorgen angehört, den Geburtsbericht der ersten Geburt durchgearbeitet, um meine Gedankengänge nachvollziehen zu können. Sie hat nach meinen Wünschen gefragt, was ich von ihr erwarte und ihr ganzes Verhalten, ihre Ratschläge usw. auf mich angepasst. Dies alles hat mir Sicherheit gegeben und Angst genommen. Kein Vorsorgegespräch beim Arzt könnte dies leisten.

Jemand, der noch nie von einer guten Hebamme betreut wurde, wird vermutlich noch nicht mal bemerken, was fehlt. So viele Schwangerschaften macht man in der Regel ja nicht durch, dass man großartig vergleichen kann. Ich kenne Frauen, die keine einzige Vorsorge bei einer Hebamme ich Anspruch genommen haben. Oder Frauen, die unter der Geburt die Krankenhaushebamme als störend empfunden haben. Oder auch Frauen, die die Nachsorgehebamme beim 2. Kind unnötig fanden. Jede Frau ist anders und möchte ihre Schwangerschaft und Geburt anders betreut haben. Die Frauen, die jedoch so wenig medizinische Intervention wie nötig aber trotzdem eine fachlich kompetente Betreuung möchten, bleiben bei den aktuellen Entwicklungen auf der Strecke. Das ist ein Skandal!

Ich hoffe, dass sich in den nächsten Monaten an der Situation noch etwas ändert. Sie dürfen nicht verschwinden! Es hat noch nie eine Zeit ohne Hebammen gegeben.

Verborgene Kinder

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Als ich noch keine Kinder hatte, kam ich nur sehr oberflächlich mit dem Thema künstliche Befruchtung, Fehlgeburt oder auch Totgeburt in Kontakt. Mir war bewusst, dass es das gibt, aber ich kannte niemanden, der betroffen war, oder niemand redete darüber.

In der ersten Schwangerschaft traf ich dann die ersten Frauen, die nur durch künstliche Befruchtung schwanger geworden waren. Doch das Glück über die Schwangerschaft ließ ihre Erzählungen sehr technisch wirken. Auf mich wirkte es wenig tragisch, wenn’s mal nicht natürlich klappt. Man kann ja nachhelfen.

Dann traf ich Frauen, die mir, ganz im Nebensatz von ihren Fehlgeburten erzählten und auch das machte auf mich wieder den Eindruck, als gehöre es einfach dazu, dass man auch mal eine Fehlgeburt erleidet. Wenn mir jemand davon erzählte wirkte er nie so, als wäre es schlimm für ihn gewesen.
Als ich das 2. Mal schwanger war, erzählte mir eine Freundin erst viel später, dass sie zu dem Zeitpunkt, als ich ihr von meiner Schwangerschaft erzählte, sie gerade eine Fehlgeburt gehabt hatte. Ich hatte ihr in dem Moment nichts angemerkt und auch diese Aussage, machte mein Bild von einer Fehlgeburt nicht tragischer. Ich war ein wenig traurig, dass wir nicht fast gleichzeitig noch mal Babys bekommen würden. Da sie aber erneut schwanger war freute ich mich mit ihr über die aktuelle Schwangerschaft.

Dann lernten wir Menschen kennen, die so ganz anders mit dem Thema umgehen und die meine Sicht so sehr verändert haben, dass ich voller Trauer für die verlorenen Kinder der Menschen bin, die mir etwas bedeuten.
Im letzten Sommer, schon bei unseren ersten Treffen, erzählten sie ganz offen von einer Fehlgeburt bei ihrer ersten und letzten spontanen Schwangerschaft, von künstlicher Befruchtung und wie schrecklich es ist, sich einer solchen zu unterziehen. Dass man durch die Hormonbehandlungen starke Wesensveränderungen durchleiden kann. Dass es einen zerreisst, vor dem Telefon zu sitzen und auf das Ergebnis des Arztes zu warten. Dass die Enttäuschung bei einem missglückten Versuch unendlich groß ist.
Damals wusste ich gar nicht, was ich sagen sollte. Ich war es nicht gewohnt, dass jemand so offen über die Gefühle zu dem Thema sprach.
Sie sprachen dann auch voller Glück über die Geburt ihrer 2. Tochter nach vielen Jahren hoffen und dass sie noch drei Versuche haben für ein Geschwisterchen.
Eine Eizelle überlebte das Auftauen nicht und der vorletzte Versuch war leider erfolglos, aber ihr Optimismus ließ sie sich am letzten Versuch über Wasser halten. Vor diesem waren sie sehr aufgeregt. Ich drückte ihnen fest die Daumen, die sie sind wirklich tolle Eltern und jedes Kind wäre glücklich bei ihnen.
Der Versuch glückte und mir hat noch nie jemand so früh von seiner Schwangerschaft erzählt. Ich freute mich so. Alles sah gut aus und im 3. Monat trafen wir uns und sie sagte, dass sie froh ist, wenn die nächste Woche mit Ultraschall vorbei ist, denn ab dann wird alles gut. Doch leider wurde es nicht gut, denn die Ärztin stellte einen Herzfehler fest, der vermutlich auf eine Trisomie zurückzuführen war. Sie hofften weiter, dass es sich nur um eine Trisomie 21 handele. Sie wollten dieses Kind so sehr. Doch auch dieses kleine Herz hörte einige Wochen später auf zu schlagen.
Wie sie danach damit umgingen, treibt mir immer noch Tränen in die Augen. So viel Trauer und so viel Stärke zugleich. Bis zur Geburt wurden sie von einem Arzt betreut. Das kleine Mädchen wurde still mit Hilfe einer Hebamme geboren. Zuhause im Kreis der Familie. Sie verbrachte dort einige Tage in einem kleinen Körbchen, bis sie auf einem Sternenkinder-Friedhof beerdigt wurde. Anschließend wurde ein Trauergottesdienst gehalten, der mich sehr berührte. Dort durfte jeder auch für andere verlorene Kinder trauern. Ihnen einen Namen geben, falls sie noch keinen bekommen hatten. Es waren so viele. All die Kinder, die man sich erseht und gewünscht hatte. Und all die Kinder, die verloren aber nicht vergessen sind.

Ich weiß, sie trauern immer noch. Und ich trauere im Stillen mit ihnen.

Ich danke den Beiden, dass ich diesen Text veröffentlichen darf, denn ich denke, dass Trauer wichtig ist und auch gezeigt werden darf.

(Mein) Hebammentag

Heute ist internationaler Hebammentag.

Und heute streikten die Aachener Hebammen, um auf ihre Lage bzgl. der Haftpflichtversicherung und dem daraus resultierenden Berufsverbot aufmerksam zu machen. Eltern (bzw. jedermann) war eingeladen, sie dabei zu unterstützen, damit mehr Aufmerksamkeit erregt wurde. Der Streik ging von 11-15 Uhr. Also machte ich mich auf den Weg, holte den Mann auf der Arbeit ab, sodass wir gegen 11:30 Uhr am Elisenbrunnen waren. Jeder Neuankömmling wurde freundlich willkommen geheissen. Ich persönlich fand, dass viel zu wenige Eltern da waren. Nachdem eine Rede gehalten wurde, die leider aber nur die sich der Lage sowieso schon bewussten Drumherumstehenden hören konnten, wurde es auch schon deutlich leerer. Schade, dabei ist das Thema doch so wichtig. Ich konnte leider nur eine Stunde bleiben, aber ich hoffe, dass der Streik etwas Aufmerksamkeit erregt hat.

Postkarte des Landesverband der Hebammen www.hebammen-nrw.de

Postkarte des Landesverband der Hebammen www.hebammen-nrw.de

Heute vor einem Jahr war mir der internationale Hebammentag noch nicht bekannt. Trotzdem war eine Hebamme in meinem Leben an diesem (und dem folgenden Tag) so präsent, wie an keinem anderen Tag im Jahr. Ich war nämlich für den 5. Mai ausgerechnet und pünktlich morgens früh um 4 begannen die Wehen. Das war der erste Moment, in dem ich an diesem Tag an meine Hebamme dachte, denn ich wusste, es geht los. Abends rief ich sie an und sie war für mich, Michael und unser Kind da.

Was in Zukunft bei einem Anruf im Krankenhaus kurz vor der Geburt passieren könnte…

Was in Zukunft bei einem Anruf im Krankenhaus kurz vor der Geburt passieren könnte…

Ich habe heute viel an den 5. Mai 2013 gedacht. An die Stunden, bevor Oskar geboren wurde und wie wundervoll es war. Meine Hebamme hat dazu einen sehr großen Teil beigetragen. Ich glaube jede Mutter denkt am Tag vor dem Geburtstag des Kindes bzw. auch am Tag selbst viel über die Geburt nach. Das wird sich wohl ein Leben lang nicht ändern.

Deshalb wird der 5. Mai für immer einer meiner Hebammentage sein, an dem ich auch viel an Mira denken werde.

Die Welt braucht Hebammen!

Neuer Blog. Mein erster Post. Seltsam, dass Mann und Frau so gleich ticken, aber als Michael gestern zu mir sagte, dass er ein Blog einrichten mag, hab ich nicht lange überlegt, worüber ich denn bloggen mag. Die letzten Tage schwirrt mir schon die Sache mit den Haftpflichtversicherungen der Hebammen im Kopf herum. Ab und an muss ich sogar ein Tränchen verdrücken, da mich der Gedanke, dass es bald keine freien Hebammen mehr geben wird doch sehr traurig macht. Traurig, für all die Frauen, die ihren Beruf mit solcher Leidenschaft ausüben und traurig für all meine Freundinnen und Bekannten, die sich Kinder wünschen und denen eine Geburt mit einer vertrauten Hebamme voraussichtlich dann verwährt bleibt.

Ich hab mich relativ früh bei meiner ersten Schwangerschaft um eine Beleghebamme bemüht. Für mich war das Konstrukt mit einer Hebamme, die ich kenne und mag in ein Krankenhaus zu gehen das, was mir die meiste Sicherheit gab. Mir war dabei vollkommen egal, in welches Krankenhaus es gehen sollte. Hauptsache die Hebamme ist sympathisch und im Notfall ist ein Arzt zur Stelle. In Aachen ist man ja noch relativ gut bedient, was die Beleghebammen angeht und so waren Susanne und Liesa schnell gefunden. Warum 2? Die beiden teilten sich die Belegstelle und auch den Rufdienst. Mit der Beleghebamme kauft man sich nämlich auch einen 24/7 Rufdienst ab ca. 4 Wochen vor dem errechneten Termin. Damals 2009 waren das 200 Euro.  Also 100 für jede. Nicht viel Geld – wie ich finde – für etwas, was das Privatleben einer Hebamme doch ziemlich einschränkt.

Auch in der 2. Schwangerschaft konnte ich mir nichts anderes vorstellen. Bei der Schwangerschaftsgymnastik wurde ich von der Kursleiterin (auch Hebamme) gefragt, ob ich die Beleghebamme wirklich brauche. Ich wüsste ja, was auf mich zukäme und ich sei doch stark genug, das alleine zu schaffen. Ich glaube nicht. Ich denke, dass die Sicherheit mich stark gemacht hast. Zu wissen, dass jemand für mich da ist, wenn ich nicht mehr ich selbst bin.

Mira wurde mir von Susanne empfohlen und war einfach klasse. Ich machte sehr schnell einen Termin mit ihr, um sie kennen zu lernen. Dafür nahm sie sich 1.5 Stunden Zeit. Wie auch die meisten nächsten Termine. Wir trafen uns einige Male vor der Geburt, sprachen über Wünsche, Ängste und den Verlauf der Schwangerschaft. Sie wusste zu allem einen Rat und gab mir ein gutes Gefühl. Sie machte die Rufbereitschaft alleine. 2013 kostete dies dann 400 Euro. Und meine Krankenkasse übernahm sogar einen Anteil von 250 Euro. Ich hätte es auch so bezahlt. Dafür konnte ich auch Mira 24/7 anrufen.

Was ich dann auch an einem Sonntag tat. Abends gegen halb 7. Ich hatte schon ein schlechtes Gewissen, aber sie freute sich. Sagte, sie sei ausgeruht. Und so kam sie nach 20 Min. zu uns, schaute nach mir, fragte, wie es mir geht, wie ich mich fühle, was ich brauch, was ich möchte. Sie stellte mir vollkommen frei, ob sie bei mir bleiben sollte, bis die Wehen noch stärker werden oder ob ich lieber mit Michael alleine sein möchte. Ich schichte sie noch mal nach Hause und Michael rief sie später wieder an. Sie war nach 15 Min. wieder da, schaute nach mir, sagte, dass sie jetzt da bleibt, sich im Wohnzimmer aufhält, während wir im Schlafzimmer waren und ich sie rufen kann, wenn ich sie brauche bzw. denke, dass ich ins Krankenhaus möchte. So verbrachten wir noch einige Zeit zuhause, bei besonders heftigen Wehen kam sie noch mal schauen und irgendwann schlug sie aufgrund der Abstände vor, ins Krankenhaus zu fahren. Dort hatte sie schon alles geregelt, der Kreisssaal war vorbereitet, Ärzte informiert. Kein Checkin notwendig wie auch schon bei der ersten Geburt. Denn die ganzen Formalitäten werden einem auch abgenommen bzw. schon vorher von Ihr geregelt. Dann kommt der unangenehme Part, denn dann wird man ans CTG angeschlossen. Ansich nichts schlimmes, aber es schränkt den Bewegungsfreiraum schon ein. Und anschliessend muss man zum Arzt. Der macht dann noch mal Ultraschall. Auch nicht wahnsinnig schlimm, aber unter heftigen Wehen still auf ’ner Liege liegen ist nicht schön. Na gut, aber ich wollt ja ins Krankenhaus.  In den Momenten war ich bei beiden Geburten froh, dass ich meine Hebamme als Bezugsperson hatte. Klar war mein Mann da, aber der ist da auch kein Fachmann. Und von den Ärzten hab ich noch nicht mal mehr ’nen Namen oder ein Gesicht in Erinnerung.

Mira war immer präsent. Sie verliess den Raum nur für Papierkram (muss ja alles schön ordentlich dokumentiert werden, so ne Geburt). Aber ansonsten war sie da. Hat mich bestärkt als ich selbst schon kurz vorm Aufgeben war, dass ich es alleine schaffe, dass ich keine PDA brauche. Mir Mut gemacht. Und dadurch die Geburt zu einem wirklich tollen Erlebnis gemacht.

Im Krankenhaus muss auch ein Arzt während der Geburt anwesend sein. Also musste, als es plötzlich doch noch schneller ging als vermutet, noch schnell die Assistenzärztin geweckt werden, da der gerufene Oberarzt noch nicht da war. Er traf dann 20 Min. zu spät ein.

Ich wollte eine Nacht bleiben, um mich auszuruhen, aber erholsam war es nicht. Bei meiner ersten Geburt war ich unsicher. Ich war froh, auf der Station alles zu lernen, was man so über Babys wissen muss. Meine Hebamme hätte mir das aber auch alles gesagt. Beim 2. Kind weiss man ja schon Grundlegendes und ich empfand die Zeit im Krankenhaus dann mehr belastend als erholsam. Ich konnte nicht schlafen in der ungewohnten Umgebung, war noch so aufgeputscht von der Geburt, ständig kam wer gucken, ob alles ok ist, ob ich was brauche, auch nachts. Schnell man Füsse hoch, es muss geputzt werden. Frühstücksbuffet, nette Idee, aber wo stell ich denn am besten das Neugeborene samt Bettchen hin, wenn schon 3 andere Frauen im Raum sind. Welches Kind fängt grad an zu schreien?

Zuhause angekommen, telefonierte ich mit meiner Hebamme. Diese kam noch am gleichen Tag, wie auch alle folgenden Tage. Sonntage. Feiertage. Egal. Sie schaute nach dem Baby, massierte mir den Bauch, hörte sich meine Sorgen an, half bei Stillproblem. So ein Hebammenbesuch dauerte immer eine Stunde. Wenn Michael da war, wurde er ebenfalls gefragt, wie es ihm geht.

Es fühlte sich alles richtig an und sie bestärkte das Gefühl. Nach dieser Geburt und der Vor- und Nachsorge hätte ich mir sogar vorstellen können, mit ihr ein Kind zuhause zu bekommen. Sie hat mich gestärkt. In allem.

Ich würde sie gerne jedem empfehlen, der mich danach fragt. Ich hoffe, sie wird ihren Beruf nicht aufgeben müssen.