Als ich noch keine Kinder hatte, kam ich nur sehr oberflächlich mit dem Thema künstliche Befruchtung, Fehlgeburt oder auch Totgeburt in Kontakt. Mir war bewusst, dass es das gibt, aber ich kannte niemanden, der betroffen war, oder niemand redete darüber.
In der ersten Schwangerschaft traf ich dann die ersten Frauen, die nur durch künstliche Befruchtung schwanger geworden waren. Doch das Glück über die Schwangerschaft ließ ihre Erzählungen sehr technisch wirken. Auf mich wirkte es wenig tragisch, wenn’s mal nicht natürlich klappt. Man kann ja nachhelfen.
Dann traf ich Frauen, die mir, ganz im Nebensatz von ihren Fehlgeburten erzählten und auch das machte auf mich wieder den Eindruck, als gehöre es einfach dazu, dass man auch mal eine Fehlgeburt erleidet. Wenn mir jemand davon erzählte wirkte er nie so, als wäre es schlimm für ihn gewesen.
Als ich das 2. Mal schwanger war, erzählte mir eine Freundin erst viel später, dass sie zu dem Zeitpunkt, als ich ihr von meiner Schwangerschaft erzählte, sie gerade eine Fehlgeburt gehabt hatte. Ich hatte ihr in dem Moment nichts angemerkt und auch diese Aussage, machte mein Bild von einer Fehlgeburt nicht tragischer. Ich war ein wenig traurig, dass wir nicht fast gleichzeitig noch mal Babys bekommen würden. Da sie aber erneut schwanger war freute ich mich mit ihr über die aktuelle Schwangerschaft.
Dann lernten wir Menschen kennen, die so ganz anders mit dem Thema umgehen und die meine Sicht so sehr verändert haben, dass ich voller Trauer für die verlorenen Kinder der Menschen bin, die mir etwas bedeuten.
Im letzten Sommer, schon bei unseren ersten Treffen, erzählten sie ganz offen von einer Fehlgeburt bei ihrer ersten und letzten spontanen Schwangerschaft, von künstlicher Befruchtung und wie schrecklich es ist, sich einer solchen zu unterziehen. Dass man durch die Hormonbehandlungen starke Wesensveränderungen durchleiden kann. Dass es einen zerreisst, vor dem Telefon zu sitzen und auf das Ergebnis des Arztes zu warten. Dass die Enttäuschung bei einem missglückten Versuch unendlich groß ist.
Damals wusste ich gar nicht, was ich sagen sollte. Ich war es nicht gewohnt, dass jemand so offen über die Gefühle zu dem Thema sprach.
Sie sprachen dann auch voller Glück über die Geburt ihrer 2. Tochter nach vielen Jahren hoffen und dass sie noch drei Versuche haben für ein Geschwisterchen.
Eine Eizelle überlebte das Auftauen nicht und der vorletzte Versuch war leider erfolglos, aber ihr Optimismus ließ sie sich am letzten Versuch über Wasser halten. Vor diesem waren sie sehr aufgeregt. Ich drückte ihnen fest die Daumen, die sie sind wirklich tolle Eltern und jedes Kind wäre glücklich bei ihnen.
Der Versuch glückte und mir hat noch nie jemand so früh von seiner Schwangerschaft erzählt. Ich freute mich so. Alles sah gut aus und im 3. Monat trafen wir uns und sie sagte, dass sie froh ist, wenn die nächste Woche mit Ultraschall vorbei ist, denn ab dann wird alles gut. Doch leider wurde es nicht gut, denn die Ärztin stellte einen Herzfehler fest, der vermutlich auf eine Trisomie zurückzuführen war. Sie hofften weiter, dass es sich nur um eine Trisomie 21 handele. Sie wollten dieses Kind so sehr. Doch auch dieses kleine Herz hörte einige Wochen später auf zu schlagen.
Wie sie danach damit umgingen, treibt mir immer noch Tränen in die Augen. So viel Trauer und so viel Stärke zugleich. Bis zur Geburt wurden sie von einem Arzt betreut. Das kleine Mädchen wurde still mit Hilfe einer Hebamme geboren. Zuhause im Kreis der Familie. Sie verbrachte dort einige Tage in einem kleinen Körbchen, bis sie auf einem Sternenkinder-Friedhof beerdigt wurde. Anschließend wurde ein Trauergottesdienst gehalten, der mich sehr berührte. Dort durfte jeder auch für andere verlorene Kinder trauern. Ihnen einen Namen geben, falls sie noch keinen bekommen hatten. Es waren so viele. All die Kinder, die man sich erseht und gewünscht hatte. Und all die Kinder, die verloren aber nicht vergessen sind.
Ich weiß, sie trauern immer noch. Und ich trauere im Stillen mit ihnen.
Ich danke den Beiden, dass ich diesen Text veröffentlichen darf, denn ich denke, dass Trauer wichtig ist und auch gezeigt werden darf.